Flower in Ice von Ray Morris. CC BY NC ND 2.0

Vom Sinn des Riechens: Wie die Nase unser Verhalten steuert

Täglich nehmen wir Gerüche auf, die unsere Psyche und unseren Körper in vielfältiger Weise beeinflussen. Der Geruchssinn liefert Informationen über unsere Umwelt, warnt vor Gefahr und beeinflusst, ob wir jemanden sympathisch finden. Düfte können Erinnerungen auslösen, uns stimulieren und beruhigen – oder einfach glücklich machen.

Im Dienst der Evolution: der älteste Sinn

Evolutionsgeschichtlich ist der Geruchssinn einer der ältesten Sinne. Lange bevor Lebewesen sehen und hören konnten, nahmen sie Geruchssignale wahr, denn mittels chemischer Signale werden Botschaften vermittelt, die das Überleben und Fortpflanzen sichern. In unserem zivilisierten Leben mit seinen zahlreichen visuellen, akustischen und haptischen Reizen wird es für uns zunehmend schwerer, uns auf den Geruchssinn zu konzentrieren.

Duftende Signale: von der Nase ins Gehirn

Sobald die Duftmoleküle eines Geruchs unsere Nase erreichen, gelangen sie über die Nasenhöhle zum sogenannten Riechepithel, der Riechschleimhaut, die sich im Dach der oberen Nasenschleimhaut befindet. Auf der drei bis fünf Quadratzentimeter großen Fläche befinden sich 20 bis 30 Millionen Riechzellen, die sich alle 40 Tage erneuern. Jede einzelne dieser Zellen ist mit Sinneshaaren, den Zilien, ausgestattet. An diesen Sinneshaaren sitzen Duftrezeptoren.

Durch das Andocken an einen Rezeptor löst der Duftstoff einen elektrischen Impuls aus. Im Inneren der Zelle wird dieser elektrische Reiz verstärkt und läuft über lange Fortsätze der Riechzellen direkt in den Riechkolben, einen der ältesten Teile des Gehirns. Der Riechkolben besteht aus kleinen, kugelförmigen Zellansammlungen, den Glomeruli. Ist der Reiz stark genug, schicken die Glomeruli den Reiz weiter an das Riechhirn. Hier wird der Nervenreiz sortiert, gebündelt und an verschiedene Bereiche unseres Gehirns weiterverteilt.

Maßgeschneiderte Moleküle: das Schlüssel-Schloss-Prinzip

So wie ein Schlüssel nur in ein bestimmtes Schloss passt, passt auch jedes Duftmolekül nur zu ganz bestimmten Duftrezeptoren. Ob eine Riechzelle ein Molekül akzeptiert, wird von seiner Form und seiner elektrischen Ladung bestimmt. Damit wir einen bestimmten Geruch überhaupt wahrnehmen können, müssen ausreichend viele Duftstoffe des gleichen Typs an den Duftrezeptoren andocken. Erst dann wird das entsprechende Signal an das Gehirn weitergeleitet.

Im Reich der Erinnerung: der Proust-Effekt

Frisch gewaschene Wäsche, selbst gebackene Kekse oder alte Holzdielen: Gerüche wie diese können in Sekundenbruchteilen Erinnerungen aufleben lassen, die wir scheinbar vergessen hatten. Denn während eines Erlebnisses wird der Duft untrennbar mit den visuellen Eindrücken, der Atmosphäre, Bewegungen, Musik oder Gesprächen verknüpft.

Forscher haben herausgefunden, dass Erinnerungen sehr viel stärker im Gedächtnis verankert werden, wenn sie mit einem Duft verbunden werden. Der französische Schriftsteller Marcel Proust beschrieb diesen Erinnerungseffekt in seinem Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“: Der Geruch frisch gebackener Madeleines – ein muschelförmiges Kleingebäck mit dem Geschmack von Rum und Zitrone – weckt im Protagonisten plötzlich längst verloren geglaubte Kindheitserinnerungen. Seither bezeichnet man dieses Phänomen als „Proust-Effekt“.

Anosmie – wenn Menschen nicht riechen können

Als Anosmie bezeichnet man das vollständige Fehlen oder den Verlust des Geruchssinns. Die Ursache kann zum Beispiel eine Störung im Bereich der Hirnnerven, eine Virusinfektion oder eine chronische Nebenhöhlenentzündung sein. Die Unfähigkeit, Gerüche wahrzunehmen, wird von Außenstehenden oft bagatellisiert. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass der Geruchssinn überwiegend für die Geschmackswahrnehmung zuständig ist. Über die Geschmacksknospen auf der Zunge kann man nur die Grundrichtungen süß, sauer, salzig, bitter und umami wahrnehmen. Nichts mehr zu schmecken kann die Lebensfreude einschränken. Auch besteht die Gefahr der Fehl- oder Unterernährung.

Ich kann Dich gut riechen: – wie der Geruchssinn unsere Beziehungen beeinflusst

Die Liebe geht nicht nur durch den Magen, sondern auch durch die Nase. Der individuelle Eigengeruch eines Menschen, der über den Schweiß transportiert wird, entscheidet darüber, ob wir diesen anziehend oder abstoßend finden. Forscher fanden heraus, dass Frauen den Geruch von Männern bevorzugen, deren Immunsystem sich genetisch am stärksten von ihrem unterscheidet. Evolutionsbiologisch eine sinnvolle Sache, denn unterschiedliche Immunsysteme sorgen für gesunden und leistungsfähigen Nachwuchs. Neueste Experimente zeigen sogar, dass Frauen in Parfümerien gezielt Parfüms auswählen, die das eigene immungenetische Signal verstärken.